Montag, 3. August 2015

VfB Stuttgart Saisonvorschau 2015/16

Die neue Saison steht vor der Tür und alles soll besser werden beim VfB Stuttgart. Nach den vergangenen Krisenjahren ist derzeit in erster Linie eine Änderung und Schärfung des Spielsystems im Gange. Im Mittelpunkt dieses Prozesses steht der neue Coach Alexander Zorniger, der den VfB mit seinem Pressingfußball wieder in die Spur bringen soll. Über Chancen und Risiken des neuen Systems, Eindrücke aus den Testspielen und die zahlreichen Neuzugänge habe ich mir Gedanken gemacht.

Prinzipien, Formationen und der Kader


Wir werden zwei Systeme grundsätzlich mal einstudieren, das ist ein 4-3-1-2 und das ist ein 4-4-2 mit Außenspielern, die bei eigenem Ballbesitz ins Zentrum einrücken, das heißt wir haben eine klare Zentrumsorientierung.
Alexander Zorniger bei seiner Vorstellungs-PK (alle Zitate von dort übrigens frei aus dem Schwäbischen übersetzt)

Der geplante Zentrums- und Pressingfokus zeigt sich bereits in der Kaderzusammenstellung, die doch mit einigen Wechseln verbunden war. Aktuell besteht die Mannschaft aus 3 Torhütern, 20 Feldspielern, 5 Jugendspielern, die wohl vornehmlich in der U23 zum Einsatz kommen werden, sowie den beiden aussortierten Stürmern Ibisevic und Abdellaoue.

Ein kompletter Umbruch der Stammelf aus systemischen Gründen war allerdings nicht nötig, da der VfB ohnehin viele gute Pressingspieler und kaum „echte“ Flügelspieler im Kader hatte. Trotzdem wurden nicht erwünschte Spieler konsequent verkauft und durch neue ersetzt.

Wir haben zwei Keeper geholt, die in der Lage sind, die Spielkonzeption mitzutragen.

Im Tor etwa wollte der VfB mit Przemyslaw Tyton wohl ursprünglich einen Konkurrenten für Ulreich haben, der antizipativer und generell „moderner“ ausgerichtet ist. Der polnische Nationalspieler überzeugt vor allem durch seine vorrausschauende Spielweise, die es ihm ermöglicht, Steilpässe frühzeitig abzulaufen und beispielsweise auch unangenehme flache Hereingaben sicher abzufangen. Auch mit dem Fuß ist er zuverlässig und bleibt selbst unter Druck präzise. Auf der Linie wirkt er überdurchschnittlich, allerdings etwas anfällig in der kurzen Ecke, wobei mir zugegebenermaßen die Fähigkeiten und die Geduld dazu fehlen, torwartspezifische Eigenschaften wirklich einzuschätzen. Der momentan noch verletzte Mitchell Langerak, der dann als letztlicher Ulreich-Ersatz verpflichtet wurde, hat grundsätzlich ein ähnliches Profil, ist aber spielerisch noch spektakulärer. Interessant wird sein, inwieweit die Spielstärke der beiden genutzt wird, grundsätzlich wurden hier zumindest erfreulich konsequent passende Leute geholt.

Also die Denksportaufgabe würde ich schon gern mal verteilen: Was machst du eigentlich mit einem Außenverteidiger, der auch mal ins zentrale Mittelfeld mit einläuft? Das betrifft übrigens alle Spieler.

Bei den Außenverteidigern wurde ebenfalls nachgebessert: Das neue Pärchen für die linke Seite heißt Philip Heise und Emiliano Insua. Heise verfügt über viel Kreativität, Power und Technik, ist aber auch ein etwas wirrer und überdrehter Typ. Grundsätzlich ähnelt er ein wenig Gotoku Sakai, dürfte aber nicht ganz so viel Potential besitzen. Insua spielte zuletzt beim taktisch hochwertigen Pressingteam Rayo Vallecano und glänzt vor allem durch sein herausragendes Stellungs- und Bewegungsspiel gegen den Ball. Dank seiner Handlungsschnelligkeit und seines ausgeprägten taktischen Bewusstseins positioniert er sich immer passend zur Situation, verlässt seine Position wenn nötig auch sehr weit, um im Mittelfeld Löcher zuzumachen, aber übersieht dabei kaum einmal Gefahrenherde in seinem Rücken. Außerdem spekuliert er gerne ein bisschen und bewegt sich schon leicht nach vorne, wenn der Gegner noch den Ball hat, aber seine Präsenz gerade nicht gebraucht wird und ein Ballgewinn in Aussicht steht. Offensiv ist Insua dagegen ein eher simpler Spieler, der sich jedoch vielfältig bewegt und zum Beispiel schon als vorderlaufender Außenverteidiger in Erscheinung trat.

Auf der anderen Seite ist derweil alles beim Alten geblieben. Klein und Schwaab duellieren sich um den Platz rechts in der Viererkette, wobei der offensiver ausgerichtete Österreicher wohl gesetzt sein wird. Gerade gegen Mannschaften, die die Außenverteidiger nicht gut unter Druck setzen, wäre Schwaab aber eine interessante Option, um von dort aus ungestört das Spiel zu eröffnen, eventuell auch mit langen Bällen in Gegenpressingzonen, die er sehr gut spielen kann.

Innen gibt es dagegen durch die Wechselgerüchte um Rüdiger und dessen Verletzung einen kleinen Engpass, der irgendwie sogar Adam Hlousek in die Mannschaft gespült zu haben scheint (und der spielt das gar nicht mal so übel). Er duelliert sich bis zu Rüdigers Genesung (oder einer Neuverpflichtung) mit Niedermeier und Sama um den Platz neben Baumgartl.

Auf der Sechs spielt Serey Die oder alternativ Carlos Gruezo, beide passen natürlich super rein. Vielleicht kann man gegen besonders nervige Gegner ja auch mal beide aufstellen.

Auf der Acht ist Christian Gentner gesetzt. In den Tests kam er allerdings noch nicht so richtig zur Geltung, weil er in der Raute viel Balancearbeit für den offensiveren linken Halbspieler leisten musste, während er im 4-4-2 ohnehin nicht so richtig optimal aufgehoben ist. Ein Spieler wie Maxim oder auch der neu verpflichtete kluge Mittelfelddribbler Rupp könnten ihm hier Verantwortung abnehmen und Freiheiten nach vorne verschaffen. Weitere Anwärter für die Acht sind hauptsächlich der erwähnte Rupp und, falls Raute gespielt wird, auch der eher ungeeignete Kostic, diverse Zehner (und Sechser), sowie Arianit Ferati. Der erst 17-jährige eigentliche Flügeldribbler machte in der Vorbereitung von den Nachwuchsspielern den besten Eindruck und stellt mit seiner sehr engagierten und beweglichen Spielweise eine spannende Alternative für's Mittelfeld dar.

Auf der Zehn gesellt sich Kevin Stöger zum etablierten Duo Maxim und Didavi. Während Maxim ein umfassender Strukturgott und Didavi ein durchschlagskräftiger und individuell sehr starker Zehner ist, kann man Stöger wohl ziemlich genau in der Mitte zwischen den beiden ansiedeln. Leider scheint er relativ weit weg von der ersten Elf und ähnlich wie die beiden anderen auch nicht so richtig als Halbspieler eine Option zu sein. Im 4-4-2 wären die Chancen höher, dort konkurrieren die drei dann mit Kostic und Rupp.

Im Sturm setzt der VfB vor allem auf Physis, Geschwindigkeit, Defensivstärke, Bewegungsspiel und Ablagequalitäten. Ginczek, Harnik, Werner und der dynamische Wandstürmer Kliment erfüllen diese Eigenschaften ziemlich gut und jeweils in verschiedenen Ausprägungen.

Pressing: Intensives 4-4-2 oder 4-3-3


Wenn der Schiedsrichter das erste Mal anpfeift, dann geht's ab.

Jetzt aber zu den taktischen Elementen von Zornigers Fußball: Wie er immer wieder betont, ist das Spiel gegen den Ball für ihn klar der wichtigste Aspekt. Dieses ist vor allem durch hohe Intensität in allen Mannschaftsteilen, hohes Anlaufen und kompaktes und bisweilen riskantes Nachschieben geprägt. Ballferne Lücken, die dadurch entstehen, sollen durch den hohen Gegnerdruck überhaupt nicht anspielbar sein, während der VfB selbst auf den Ballgewinn drängt.

Dafür ist natürlich einiges an Konsequenz, Abstimmung und Ausdauer notwendig. Wenn nicht richtig abgesichert wird, der Sechser nicht auf die Seite verschiebt, die Stürmer unkompakt sind oder der Außenverteidiger nicht einrückt, bekommt der Gegner plötzlich Zeit und dann wird die hohe Kompaktheit zum Problem. Deswegen ist es auch nötig, die Pressingwellen sinnvoll zu dosieren und auch in weniger intensiven Phasen stabil zu bleiben.

Formativ gibt es dafür zwei grobe Möglichkeiten:

Das 4-3-3 in der tieferen Variante. Die Young Boys bespielten das in dieser Situation über ihre aufgefächerten Innenverteidiger, die damit die VfB-Stürmer auf sich zogen und auf diese Weise ihren benachbarten Außenverteidiger freibekamen.








 
Nur wenige Mannschaften, die in einer Raute organisiert sind, behalten diese Formation auch gegen den Ball bei, da sie die Breite nicht gut abdeckt und man daher vor allem die gegnerischen Außenverteidiger nur umständlich unter Druck setzen kann. Abhilfe schafft beispielsweise, und so löst es auch Zorniger, eine Umformung in ein 4-3-3, bei dem der Zehner als Pressingspitze aufrückt und die beiden Stürmer etwas nach außen weichen.

Der Zehner hat dann die Aufgabe, gegebenenfalls unterstützt von den aufrückenden Achtern den gegnerischen Sechserraum zu bearbeiten und im Angirffspressing auf die Innenverteidiger und den Torwart vorzuschieben, während die Stürmer jeweils ungefähr zwischen Innen- und Außenverteidiger positioniert sind und letzteren idealerweise im Deckungsschatten verschwinden lassen. Im Angriffspressing können sie ebenfalls bis zum Torwart aufrücken und werden in diesem Fall von einem diagonal nach außen schiebenden Achter abgesichert.

Im Vergleich zum 4-4-2 ändert sich die Art der Balleroberung, wenn die erste Linie zum Beispiel an der Seitenlinie überspielt wird. Der ballnahe Achter und gegebenenfalls auch der Außenverteidiger verteidigen in diesem Fall unmittelbar nach vorne , dahinter wird nachgeschoben. Optimalerweise ist es nicht nötig, dass der nach außen verschobene Stürmer ganz mit nach hinten rücken muss. So kann er bei einer Balleroberung direkt hinter dem gegnerischen Außenverteidiger frei werden (falls der Gegner das nicht richtig absichert). Die Ausgangsposition für Konter ist mit drei Pressingspitzen also tendenziell etwas besser, wobei andererseits die Gefahr, über Verlagerungen ausgespielt zu werden, relativ hoch ist. Gegen Viktoria Pilsen sah man dieses Muster einige Mal ganz gut. Interessant wäre in diesem Zusammenhang, mal einen der beiden Tempodribbler im Kader, Werner oder Kostic, als Stürmer aufzustellen.

Insgesamt ist diese Pressingformation allerdings die etwas instabilere und erfordert wegen der nicht so klaren Zuordnungen mit den zahlreichen Zwischenpositionen bessere Abstimmung und mehr sowie konstanteres Mitdenken, könnte aber andererseits auch für sehr effektive Konter und durch lockende Effekte für mehr Ballgewinne sorgen. In den Tests gab es in dieser Hinsicht gemischte Ergebnisse. Gegen die Young Boys gab es etwa nicht nur Intensitätsprobleme, sondern auch relativ viele Abstimmungsprobleme, zum Beispiel beim Herausrücken der Achter und dem Übernehmen der Außenverteidiger und des zurückfallenden Sechsers. Später gegen Winterthur wirkte vor allem die Pressingarbeit der ersten Linie schon etwas besser und flexibler, sodass die Achter und die Außenverteidiger nicht so riskant herausrücken mussten.

Pressingvariante im 4-4-2 gegen Manchester City. Die Zuordnungen sind im Vergleich zum vorher erläuterten 4-3-3 relativ klar, nur der Sechser in Pellegrinis 4-3-3 ist nominell ohne Gegenspieler. In diesem Spiel wurde dieser häufig vom ballfernen Stürmer übernommen.



 
Aktuell sieht es allerdings eher danach aus, dass der VfB zunächst im 4-4-2 in die Saison gehen wird. Diese Formation wurde sowohl in der zweiten Halbzeit gegen Winterthur als auch gegen Manchester City genutzt und scheint insgesamt ein wenig stabiler zu funktionieren. Man kommt vor allem gegen Teams, die in einer Vierer- bzw. Zweierkette aufbauen gut mannorientiert ins Pressing, hat vier statt drei Spieler in der zweiten Linie und es gibt daher im Verschieben weniger Möglichkeiten für Fehler und Lücken.

Das eindrucksvolle 4:2 im jüngsten Testspiel täuscht jedoch ein bisschen über die Qualität des Pressings hinweg, so war etwa keiner der vier Treffer überhaupt ein Kontertor. Es gab auch viele individuelle Nachlässigkeiten, etwa vom gegen den Ball immer noch mangelhaften Kostic. Oft konnte das durch Intensität aufgefangen werden, das kostete aber Kraft, die in anderen Phasen wieder fehlte. Andernfalls konnte City durch Stuttgarts Zugriffslosigkeit in diesen Situationen doch recht einfach in die ballfernen Bereiche kommen. Als der Rhythmus durch die Wechsel so langsam verloren ging und mit Harnik ein wichtiger Balancegeber für den einrückenden Rechtsaußen rausging, kassierte der VfB folgerichtig noch zwei Gegentore. Insgesamt scheinen das aber keine gravierenden systemischen Schwachpunkte zu sein und es überwog auch zu Recht die positive Kritik. Die Frage, wie man das Pressing über 90 Minuten dosiert, bleibt allerding und wird noch interessant zu beobachten sein.

Mit Ball: Überraschend viel Fußball


Wir werden im Aufbau wenig Risiko eingehen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht Fußball spielen wollen von hinten heraus, sondern wir müssen wissen, wann wir Fußball spielen. [...] Die [Fehler] werden wir versuchen, so zu minimieren, dass, wenn wir Fehler machen, das bitte in der gegnerischen Hälfte ist.

Was das eigene Ballbesitzspiel angeht, passierte in den ersten Vorbereitungsspielen gegen schwächere Gegner eigentlich genau das Gegenteil von dem, was man aufgrund von Zornigers Ankündigung erwarten konnte. Der VfB spielte sehr konstruktiv von hinten heraus und ging dabei sogar ausgesprochen viel Risiko, was das eine oder andere Mal auch zu tiefen Ballverlusten mit anschließenden Gegentoren führte.

Am Spiel gegen den Ball führt kein Weg vorbei, aber mit Ball lasse ich natürlich Dinge zu, die sich im Team entwickeln.

Grundsätzlich, und das ist wirklich erfreulich, hat der VfB auch im eigenen Ballbesitzspiel einen Plan und kann neben langen Bällen auch über flache Zentrumskombinationen kommen. Die Formation in der das geschieht, war in den Tests meistens asymmetrisch, sodass ein Außenverteidiger tiefer blieb (meistens Insua oder Schwaab), der andere weit aufrückte und mit den restlichen Mittelfeldspielern außer Kostic das Zentrum geflutet wurde. Gegen Bern in der zweiten Halbzeit verzichtete der VfB sogar einseitig auf einen Breitegeber und versuchte sich durch massive Linksüberladungen durchzukombinieren. Allerdings waren diese Ansätze zu statisch und funktionierten kaum.

Am besten war in dieser Hinsicht wohl das Spiel gegen Winterthur, als die Mittelfeldspieler sowohl im 4-4-2 als auch im 4-3-1-2 viele einrückende Läufe und zusammen mit den ausweichenden Stürmern einge schöne Vertikalpass-Kombinationen zeigten. Kurz habe ich mich wegen der ausgeprägten Nutzung des Zehnerraums sogar an diese Mannschaft hier erinnert gefühlt, natürlich ohne die selbe strukturelle Genialität. Gegen Manchester gab es ebenfalls Szenen, in denen der VfB die Lücken hinter den Achtern über zielgerichtetes Zusammenspiel auszunutzen wusste.

Es gibt aber auch in der Offensive noch ein paar Fragezeichen. Das Bemühen, Kostic zum Halbspieler umzuschulen, scheint Zorniger zum Glück erst einmal auf Eis gelegt zu haben. Als Linksaußen im 4-4-2, das ursprünglich mit zwei einrückenden Außen gedacht war, spielte er zuletzt praktisch genauso wie im Saisonendspurt unter Stevens. Diese Rolle wird zumindest ganz gut genutzt, indem wie erwähnt meistens mit Linksfokus gespielt wird und der Linksverteidiger diagonal einrückt, sodass man hier kompakt für's Gegenpressing bleibt (das klappte dank der engen Formation übrigens auch schon ziemlich gut).

Als Alternative gibt es noch das Gehen auf zweite Bälle. Dank der physischen und schnellen Stürmer und der hohen natürlichen Kompaktheit ist das immer etwas, auf das man sich zurückziehen kann. Wichtig ist dabei nur, und das wurde vom VfB bislang größtenteils so gemacht, dass nicht blind ein Ball nach dem anderen nach vorne gebolzt wird, sondern man den Gegner möglichst weit anlockt und dann gezielt in eigene dicht besetzte Bereiche hineinspielt.

Die Aussichten


Aufstellung im letzten Testspiel und
voraussichtlich auch dann beim ersten
Pflichtspiel gegen Holstein Kiel.

Im Grundsatz ist es mit Sicherheit nicht verkehrt, den VfB ausgerechnet zu einer Pressingmannschaft zu entwickeln (auch wenn es nicht gerade der innovativste Ansatz ist). Schließlich ist es ohnehin so, dass der VfB meistens dann erfolgreich war, wenn er ein umschaltlastiges und eher physisches Spiel aufzog.

Das Ganze hat außerdem noch einen ganz netten Vorteil: Da nun Intensität, Umschalten und Zentrumsspiel zu den Grundpfeilern erhoben wurden und im täglichen Training vorgelebt werden, ist es praktisch ausgeschlossen, dass der VfB noch einmal in die Muster im Vorjahr zurückfällt, als die Offensive wenig Zielstrebigkeit und Zug zum Tor an den Tag legte. Über ambitionslose Pässe auf den Flügel bei offenem Zehnerraum, abgebrochene Konter und Flanken ohne dynamische Strafraumbesetzung wird man sich also mit ziemlicher Sicherheit nicht noch einmal aufregen müssen.

Wichtiger ist aber ohnehin, wie das eigene Spiel über die Saison hinweg dann letztlich ausgestaltet wird. Wie wird das Verhältnis zwischen flachem Spielaufbau und zweiten Bällen aussehen? Wie harmonisch wird das Pressing letztendlich sein und funktioniert es auch in allen Varianten? Werden die richtigen Varianten zum richtigen Zeitpunkt gespielt, oder kommen sogar noch welche dazu? Überhaupt: Wie gut werden die Spielvorbereitung und die Anpassungen sein? Und wie sieht es mit Umstellungen im Spiel aus? Es gibt viele Fragen, die noch offen sind und die auch auf potentielle Probleme hinweisen.

Es ist zum Beispiel nicht sehr wahrscheinlich, dass der VfB gleich zu Beginn sein strategisches Optimum finden wird. Es könnte beispielsweise passieren, dass die Aufbauspieler in Ballbesitz viel Risiko gehen, aber der VfB durch unpassende Strukturen Probleme bekommt und Gegentore nach tiefen Ballverlusten kassiert. Andererseits ist es auch nicht optimal, wenn zu viel gebolzt wird und durch den offenen Spielcharakter Gegner einfacher als nötig ins Spiel kommen dürfen, während der VfB selbst nicht richtig nach vorne kommt, weil der Gegner etwa zweite Bälle gut verteidigt. Eine gute Mischung wird sich in dieser und anderen Fragen wohl erst im Saisonverlauf entwickeln und könnte für Startschwierigkeiten sorgen.

Auf der anderen Seite ist ein echter „Überraschungseffekt“, wie ihn sich vielleicht manch einer erhofft in Zeiten von Statistiken und Videoanalysen eher unwahrscheinlich. Außerdem ist die Bundesliga eine ausgewiesene „Pressingliga“, in der sich sehr viele Mannschaften über das Spiel gegen den Ball und Umschaltfußball definieren. Mit Roger Schmidts Leverkusen und Jürgen Klopps Dortmund gab es zuletzt auch zwei besonders extreme und erfolgreiche Vertreter. Die Trainer werden also nicht vor grundlegend neue Aufgaben gestellt, wie es vielleicht in anderen Ländern der Fall wäre. Wenn der VfB erfolgreich sein wird, dann also nicht weil die Liga „sich erst auf das Pressing einstellen muss“ (Bundesligamannschaften machen den ganzen Tag nichts anderes, als sich auf Pressingmannschaften vorzubereiten), sondern weil das System hochwertig ist und gut umgesetzt wird (von Glück und Pech mal abgesehen). Wenn das nicht der Fall ist, wird der VfB mittelfristig auch keinen Erfolg haben.


PS: Kurze Anmerkung für die paar Verrückten, die diesen Blog regelmäßiger verfolgen: In der kommenden Saison wird es keine 34+ Spielanalysen mehr geben, sondern mehr so Artikel zu taktischen Entwicklungen und Problemen, Kurzanalysen, vielleicht mal nur was zu der Endphase eines Spiels, einem bestimmten (Gegen-)Tor oder einer individuellen Leistung, sowie hoffentlich Spielerportraits oder kleine Artikel zu Ex-Spielern (sind ja diesen Sommer einige dazu gekommen). Mal schauen, was man so alles machen kann. Wer da auf dem Laufenden bleiben will, kann das ab sofort übrigens auch über Twitter tun.

PPS: Alex Zorniger hat letztens ein sehenswertes Interview beim SWR gegeben.

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