Sonntag, 25. Oktober 2015

Stuttgarts zwiespältiges 4-3-3-Pressing

Nach eigentlich zu wenigen Umstellungen in den letzten beiden Spielen, griff Alexander Zorniger gegen Bayer Leverkusen zu einem unerwartet weitgreifenden Formationswechsel. Trotz einiger guter Momente und vieler Offensivszenen schlugen am Ende trotzdem die deutlich vorhandenen taktischen Schwachpunkte durch.

Wer die Vorbereitung ein wenig verfolgt hat, dem dürfte die Konstellation, in der sich der VfB formierte, bekannt vorgekommen sein: Aus der eigentlichen Raute bildete sich durch Aufrücken des Zehners und Ausweichen der Stürmer ein 4-3-3. Bayers Außenverteidiger verschwanden dann im Deckungsschatten von Harnik und Werner, während die Mittelfeldspieler durch aggressives Herausücken der drei Sechser bearbeitet wurden.

Normalerweise operiert der VfB mit Bogenläufen der Spitzen, um den Gegner nach außen zu leiten und ihm Optionen im Zentrum wegzunehmen. Diesmal wurde die Richtung des Leitens umgekehrt – Leverkusens Aufbauspieler bekamen mehr Zeit am Ball als es den Gegnern üblicherweise gewährt wird, während die Außenverteidiger wie erwähnt nicht immer direkt anspielbar waren. Leverkusen musste deswegen den ersten Pass meistens ins Zentrum spielen, wo Calhanoglu und Kampl abwechselnd zurückfielen, um den Ball nach vorn zu tragen. Anschließend zog sich der VfB zusammen, um den Ballgewinn zu forcieren.

Wie die Situationen ausgingen hing hauptsächlich vom strategischen Geschick Leverkusens ab. Während im Zentrum hohe Kompaktheit herrschte, war der ballferne Flügel oft ohne Weiteres offen, sodass die Außenverteidiger extrem weit herausrücken mussten, was teils fatale Folgewirkungen hatte.

So ein bisschen Hop oder Top. Einen Ball in den roten Bereich kann der VfB wie in dieser Szene mit hoher Wahrscheinlichkeit erobern. Kommt allerdings der diagonale Schlag auf den Linksverteidiger...

Brüchiges Mittelfeld, schwache Flügelverteidigung


Dem Gegner den Flügel für Verlagerungen zu öffnen war vor allem deswegen etwas ungut, weil das Nachschieben auf die Seite sehr unzusammenhängend und wenig harmonisch geschah. Es bestanden immer wieder Unklarheiten in der Absicherung des Außenverteidigers und des Halbspielers, was dafür sorgte, dass häufig zwei Spieler gleichzeitig die letzte Linie sichern wollten, aber niemand Druck auf den Ball entwickelte. Schwaab orientierte sich zum Beispiel häufig in die Lücke zwischen Außen- und Innenverteidiger oder in den Strafraum, während die offensiven Drei manchmal zwar noch gut, aber auf keiner konstanten Basis das Loch schlossen. Irgendwo hier endete also die Absicherungskette und Leverkusen durfte sich am Flügel und im Halbraum austoben – vor allem Mehmedi setzte mit inversen Dribblings Akzente.

Nochmal als Bild: Wer sichert Gruezo ab?

Diese Abstimmungsprobleme bestanden praktisch das ganze Spiel über und wurden in der zweiten Halbzeit nur unzureichend durch etwas mehr Rückwärtspressing von Didavi und Harnik angegangen. Da Leverkusen nach der Pause die Räume auf den Flügeln fokussierter ansteuerte und der VfB mit Ferati für Gruezo riskant wechselte, häuften sich die Chancen für die Gastgeber. Auf der anderen Seite kam der VfB durch ein paar überraschende Balleroberungen, das allgemeine Aufschaukeln der Partie und wahrscheinlich noch aus ein, zwei weiteren von mir nicht verstandenen Gründen zu guten Kontern, bei denen sie die defensiv etwas wackeligen Außenverteidiger und die offensive Besetzung der gegnerischen Doppelsechs ausnutzen konnten.

Die folgende Torflut war zum Teil aber auch auf Standards zurückzuführen, was so etwas wie einen unglücklichen Spielverlauf mit zwischenzeitlicher Zwei-Tore-Führung des VfB vortäuschte, mündete aber letzten Endes doch in einem verdienten Ergebnis.

Individuelle vs. kollektive Fehler


Vor Bellarabis Großchance beim Stand von 1:3 kam Leverkusen aus einer ruhenden Aufbausituation mit zwei einfachen Pässen auf dem Flügel durch. Anschließend musste Sunjic als Innenverteidiger allein und ohne jedwede Absicherung den mit Tempo anlaufenden Mehmedi verteidigen... ja, der VfB hat eindeutig ein Problem in der Innenverteidigung.

Auch wenn man für die Öffentlichkeit bestimmte Aussagen von Leuten nie auf die Goldwaage legen sollte, überrascht es mich doch, dass Zorniger wieder einmal das Verhalten in den direkten Duellen anprangerte. Es bleibt zu hoffen, dass er intern trotzdem an den, ja auch in der üblichen 4-4-2-Formation immer wieder mal auftretenden, Unsauberkeiten der Bewegung des Mittelfelds arbeitet. Dann könnte das 4-3-3 tatsächlich noch eine spannende Pressingvariante werden.

2 Kommentare:

  1. Da hier selten Feedback steht, will ich mich (stellvertretend für die vielen zu vermutenden Leser) für den regelmäßigen Output bedanken. Schön zu wissen, dass nicht alles was mim VfB in Verbindung steht nur "underperformed".

    Bitte weitermachen!

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